InnovationCity Ruhr
InnovationCity Ruhr | Modellstadt Bottrop geht in Serie
Das Ruhrgebiet ist seit jeher eine durch Industrie, insbesondere durch den Bergbau, geprägte Region. Dies zeigt sich sowohl in der Mentalität der Bewohner als auch in infrastrukturellen und städtebaulichen Aspekten, die sich in fast allen Städte der Metropole Ruhr wiederfinden. In den vergangenen Jahren sind diese Gegebenheiten aber vermehrt zu Herausforderungen für Politik, Kommunen und Wirtschaft geworden. Zum einen durch den Strukturwandel, den Ausstieg aus dem Kohlebergbau bis 2018 und die steigende Konkurrenz zwischen Städten bzw. Bundesländern um Neubürger. Zum anderen durch den Klimawandel und die damit einhergehende Notwendigkeit die CO2-Emissionen zum Wohle des Klima- und Umweltschutzes drastisch zu reduzieren. Diesem Spannungsfeld müssen sich alle Akteure anpassen und ihre Handlungsmaximen überdenken. Dafür sind eine enge Kooperation zwischen allen Beteiligten und die Entwicklung ganzheitlicher, nachhaltiger Lösungsansätze elementar.
Ganzheitlicher Ansatz zum klimagerechten Stadtumbau
Wie so ein ganzheitlicher Lösungsansatz aussehen kann, zeigt seit Ende 2010 die InnovationCity Ruhr | Modellstadt Bottrop. Aus einer Idee des Initiativkreises Ruhr geboren, wird in dem „Labor Bottrop“ demonstriert, wie ein klimagerechter Stadtumbau unter Berücksichtigung der Sicherung des Industriestandorts aussehen kann. Ziel ist es, die CO2-Emissionen zu halbieren und die Lebensqualität zu steigern. Bei diesem bundesweit beispiellosen PPP-Projekt arbeitet die Innovation City Management GmbH mit allen relevanten Akteuren aus Stadt, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sowie der Bürgerschaft Hand in Hand.
Projekte, Masterplan & InnovationCity Leitfaden
Die Basis für die Umsetzung bildet der Masterplan „Klimagerechter Stadtumbau“. Ein Konsortium unter Leitung des renommierten Planungsbüros AS&P Albert Speer & Partner entwickelte den Plan. Im Februar 2014 wurde dieser vorgestellt und am 8. April 2014 vom Rat der Stadt Bottrop beschlossen.
Über 300 Einzelprojekte
Der Masterplan bindet die bereits angestoßenen Vorhaben in einen Gesamtrahmen mit über 350 Einzelprojekten ein. Zudem stellt er weitere Projektideen vor und definiert konkrete Schritte, die zu einer erfolgreichen Umsetzung führen. Der Ansatz berücksichtigt auch das Zusammenwirken verschiedener technischer, sozialer und wirtschaftlicher Aspekte. Darüber hinaus wahrt er durch umfangreiche Beteiligungsverfahren auch das individuelle Interesse der Bottroper Bürgerschaft. So steht das über 1.300-seitige Planwerk auf einem breiten bürgerschaftlichen Fundament und bildet die Grundlage für die zukünftige Stadtentwicklung sowie das „Drehbuch“ für die InnovationCity Ruhr.
Bereits 200 Vorhaben angestoßen
Von den 350 Einzelprojekten wurden bis heute über 200 Vorhaben aus den Handlungsfelder Wohnen, Arbeiten, Energie, Mobilität und Stadt angestoßen und zu einem großen Teil auch umgesetzt. Hier sind beispielsweise die energetisch modernisierten Zukunftshäuser zu nennen. Sie zeigen als umsetzbare Praxisbeispiele, dass Einfamilien-, Mehrfamilien- und Geschäftshäuser aus dem Bestand zu Plus-Energie-Häusern saniert werden können. Ein weiteres Beispiel ist das Forschungsprojekt „100 KWK in Bottrop“ mit dem, zusammen mit dem Gas- und Wärme-Institut Essen, 100 Heizungsanlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) im Bottroper Stadtgebiet verbaut wurden. Ziel ist es hier, den Verbrauch fossiler Brennstoffe weitestgehend zu minimieren und Vernetzungsmöglichkeiten zu einem virtuellen Kraftwerk zu untersuchen. Hinzu kommen weitere Projekte, wie der Ausbau von Radwegen und die Entwicklung von Verkehrskonzepten. Auch der Aufbau von Gemeinschaftsgärten, die grundsätzliche Schaffung eines lebenswerteren Stadtraums oder Schulprojekte beschäftigen sich mit verschiedenen Facetten des Klima- und Umweltschutzes.
Ergebnisse der Halbzeitbilanz
Im Rahmen der durch das Land NRW geförderten wissenschaftlichen Begleitforschung erarbeitete der wissenschaftliche Beirat der InnovationCity Ruhr eine Halbzeitbilanz. Das Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie leitete die Auswertung und evaluierte dazu die bislang erreichten Ergebnisse. Die Zahlen sprechen dabei für sich:
CO2-Einsparung
Durch abgeschlossene und bereits initiierte Maßnahmen und Projekte, deren Realisierung heute gesichert ist, ergibt sich eine Reduktion der CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020 (seit 2010) um rund 38 Prozent, d. h. um rund 100.000 Tonnen. Einen wichtigen Beitrag zu dieser Einsparung leistet die energetische Modernisierung von Wohngebäuden. Mit einer jährlichen energetischen Modernisierungsrate von durchschnittlich drei Prozent liegt die Modellstadt Bottrop deutlich über dem Bundesdurchschnitt von knapp einem Prozent. Dies entspricht einer energetischen Modernisierungsquote von 15,8 Prozent aller Wohngebäude im Pilotgebiet und veranschaulicht den Erfolg des InnovationCity-Ansatzes.
Beratung & Fördermittel
Der Schlüssel dafür liegt unter anderem in dem mehrstufigen Ansprachekonzept und dem kostenlosen Erstberatungsangebot, das alle Bottroper Hauseigentümer in Anspruch nehmen können. Bis Juni 2019 nutzten rund 3.400 Sanierungsinteressierte aus dem Stadtgebiet dieses Angebot. Bezogen auf das untersuchte Pilotgebiet haben durchschnittlich 56 Prozent der Beratenen auch Maßnahmen in den eigenen vier Wänden durchgeführt.
Besonderes Förderinstrument der Stadt Bottrop
Darüber hinaus steht im Pilotgebiet ein neues Förderinstrument der Stadt zur Verfügung, bei dem Städtebaufördermittel erstmalig direkt an Immobilieneigentümer für energetische Modernisierungsmaßnahmen ausgezahlt werden können. Abhängig vom Gebäudetyp und dem CO2-Minderungspotenzial der jeweiligen Maßnahmen ist so eine Förderung von bis zu 25 Prozent möglich. Von April 2014 bis Juni 2019 profitierten 661 Antragsteller von dieser Förderung. Bei einem förderfähigen Gesamtantragsvolumen von über 13 Mio. Euro konnten durch die Stadt bereits 1,85 Mio. Euro Fördermittel ausgeschüttet werden. Dies bedeutet eine durchschnittliche Förderquote von rund 12,6 Prozent.
Investitionen & Beschäftigungseffekte
Auch die lokale Wirtschaft und die Wertschöpfung profitieren. Bis zum Jahr 2020 werden über 290 Mio. Euro im Rahmen des Projekts investiert, davon entfallen 183 Mio. Euro auf bereits realisierte Vorhaben. Schätzungsweise 110 Mio. Euro sind über Aufträge an Bottroper Firmen geflossen. Hinzu kommen ca. 26 Mio. Euro an Vorleistungs- und Konsumgüterproduktion.
Mit den Investitionen sind zudem Effekte auf die Beschäftigungsrate verbunden. Als direkter Beschäftigungseffekt ergibt sich für den gesamten Zeitverlauf in Bottrop eine Steigerung um 924 Erwerbstätigenjahre. Die indirekten Effekte führen nochmals zu weiteren 276 Beschäftigungsjahren. Insgesamt wurden somit 1.200 Erwerbstätigenjahre neu geschaffen bzw. gesichert. Die entspricht ca. 300 neuen Arbeitsplätzen am Wirtschaftsstandort Bottrop.